Drei Stunden für ein offenes Europa, ein Europa, in dem Zäune Menschen von ihrem Menschsein trennen und Wege an Grenzen enden, im Nichts.
Die Künstlerin Ilse Gewolf setzt sich seit Jahren wiederholt mit dem Thema Aus‐ und Eingrenzen, den wieder erstarkenden Radikalismen auseinander. Im Juli 2011 hatte Ilse Gewolf anlässlich einer Ausstellung in Rechnitz im Südburgenland eine Schankhütte als Ausstellungsort zur Verfügung.
„Ich habe das Ding auf einem Hügel über einer Talsenke aufstellen lassen“, so Gewolf, „die Senke war im Zweiten Weltkrieg ein Panzergraben, von dem aus auf dem gegenüberliegenden Hang Flüchtende erschossen wurden. Rechnitz hat eine problematische, noch immer nicht ganz bewältigte Vergangenheit. Zurück zur Hütte: Ich habe sie mit ca. 45m beschriebener Tapete eingewickelt, das Innere schwarz ausgekleidet und an weißen Ketten hängende, starre Tangram‐Vögel auf weißen Würfeln drin aufgehängt. Die ganze Installation habe ich BURGENLÄNDISCHES VOGELGRENZSCHUTZHAUS genannt! Das war 2011.
Jetzt, 2015, geht es um einen Zaun, einen UNGARISCHEN VOGELGRENZSCHUTZZAUN, und wieder darum, dass solch eine Grenze Vögel und Gedanken nicht aufzuhalten vermag, Körper und Geist aber verletzt und demütigt, es geht um einen gegenwärtigen Zaun, wie wir wissen.
Ich verwende den Text aus 2011 wieder und habe ein 20m langes Bild gemacht, das den Grenzzaun repräsentieren soll, an beiden Rändern in alle Richtungen flüchtende Strichmännchenkarikaturen, die manchmal in Tiergestalten, manchmal in Schrift auslaufen. Der Text wird, getrennt vom Bild, Teil der Rauminstallation sein.
Mit Wüstensand gemalte Wachtürme sind ein getrennter, sprachloser Teil der Installation und stehen für das Überwachen, die archaische Bedürfnisbefriedigung, die kein Staatsoberhaupt erst für sich erfinden muss. Das Einsperren und Aussperren scheinen wieder zu einer europäischen Obsession zu werden (...) aber manchmal brechen die Dämme der Gewalt und der Angst unter dem Ansturm des Lebens, und alles wird einfach.“
Es geht also um eine Arbeit, die vor vier Jahren angefangen hat zu wachsen, hervorgegangen aus der Erinnerung an Gewalt vor 70 Jahren, eine Arbeit über Gewalt und Grenzen zwischen Ländern und Menschen, eine Arbeit, die nicht zu Ende sein kann, solange messerscharfe Zäune errichtet und überwacht werden. Die Realität hat das künstlerische Geschehen eingeholt inmitten eines Europas, dessen Fundament die Idee der Freiheit und Offenheit ist.
Ilse Gewolfs aktuelle Arbeiten zu diesem Thema werden am 13.9.2015 um 15:00 im Széchenyi Szalon in Budapest für drei Stunden zu sehen sein.
Gerhard Schumacher
arbosart
Verein zur Förderung interdisziplinärer, internationaler Kulturprojekte
A-7535 Gamischdorf 46, Austria
Mail: g.schumacher(a)arbos-ma.com
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