Samstag, 9. März 2019

Offener Brief zur Einstellung der unabhängigen Rechtsberatung der Caritas

Offener Brief an

Dr. Ägidius Zsifkovics, Bischof von Eisenstadt
Kardinal Christoph Schönborn, Erzbischof von Wien
Dr. Michael Landau, Präsident der Caritas Österreich
Jean Claude Hollerich, Präsident der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft (COMECE) und Erzbischof von Luxemburg
und andere

Die sozialen Dienste der Caritas haben in der österreichischen Gesellschaft einen exzellenten Stellenwert. Die Angebote sind vielschichtig. Die Organisation übernimmt seit Jahrzehnten im Subsidiaritätsprinzip großzügig anderweitig nicht gedeckte Grundbedürfnisse der Menschen, ohne Diskriminierung zwischen In- oder Ausländer/innen, „Illegalen“ und „Legalen“, zwischen Jung und Alt. Die Spendenfreudigkeit in der Bevölkerung ist der beste Beweis für die Anerkennung dieser Dienste *).

Deshalb erfüllt uns mit Entsetzen, dass die Caritas Burgenland (und wieder einmal trifft es das Burgenland - warum?) die hier angebotene  u n a b h ä n g i g e  Rechtsberatung einstellen, ihre Mitarbeiter/innen entlassen, die Abteilung schließen will, und damit sowohl Geflüchtete als auch NGOs und private Unterstützer/innen vollkommen im Stich lässt. Nur weil das Geld nicht reicht????

Man könnte sagen, damit schicken sie uns buchstäblich in die Wüste, stürzen uns von der Klippe in die Tiefe, versenken das Boot auf dem Meer – und das  o h n e  N o t! Gerade im Fachbereich der Asyl- und Grundversorgung ist die unabhängige Rechtsberatung  u n e n t b e h r l i c h  geworden. Deshalb wurde sie ja vor ein paar Jahren eingerichtet. Anlässlich der zunehmenden Verschärfungen in Asyl, Grundversorgung und Mindestsicherung stehen Geflüchtete – und zunehmend Bedürftige allgemein – besonders schutzlos da. Will die Caritas in Zukunft guten Gewissens Spenden annehmen und gleichzeitig auf Rechtsberatung verzichten? Dieses „Loch“ wird dann nicht mehr mit Wohltaten zu stopfen sein.

Für die Mitarbeiter/innen der Rechtsberatung ist die Aufgabe kein Job, es ist Lazarus-Mission im Geflecht der Politik. Sie sind für Geflüchtete der Rettungsanker. Und sie erledigen ihre Aufgabe musterhaft. Wir können das tagtäglich bestätigen **). Die Konsequenzen im Asylverfahren  o h n e  unabhängige Rechtsberatung für Geflüchtete sind gravierend bis lebensbedrohlich: sie werden häufig äußerst brutal in ihre Kriegsheimatländer abgeschoben, wo Verfolgung, Verelendung, Gewalt, oft grausamer Mord auf sie warten. Sie wissen das, die Caritas Mitarbeiter/innen wissen das, wir wissen das. Und JA, wir leiden mit!

Wie stehen wir überhaupt als Gesellschaft da, wenn wir den Entzug der unabhängigen Rechtsberatung widerstandslos hinnehmen? Bloß weil der Caritas Burgenland, wie sie sagt, jetzt das Budget dazu fehlt? Es klingt hohl, unwirklich! Warum ist das nicht glaubhaft? Der Kostenaufwand ist im Vergleich zum Resultat minimal! Oder gehen die Einsparungen weiter und ist gar zu befürchten, dass es demnächst noch andere Kürzungen oder Schließungen geben wird, etwa im Behinderten-, Betreuungs- und Pflegebereich?

Wir fragen uns: Hat die Caritas im Burgenland ihre Mission verloren? Kann Diözesanbischof Ägidius Zsifkovics noch seine mit Ehren behaftete Aufgabe als Flüchtlings- und Integrationsbeauftragter in der renommierten EU-Flüchtlingskonferenz mit gutem Gewissen erfüllen? Kann der Bischof das noch, angesichts der Schließung der unabhängigen Rechtsberatung im Burgenland?

Wir fragen auch:
Was sagt die Kommission der europäischen Bischofskonferenzen (COMECE) dazu?

Was halten Kardinal Christoph Schönborn und Caritaspräsident Michael Landau von dieser drastischen Maßnahme? Dringt der Ernst der Lage überhaupt zu ihnen durch?

Wir wissen, es ist keine kleine Angelegenheit, kein Dilemma nur lokal auf das Burgenland beschränkt. Die Situation kann mit fehlendem Budget nicht erklärt werden.

Das ist eine MENSCHENRECHTSFRAGE
wir ALLE tragen Verantwortung dafür –
auch die CARITAS, ihre Oberhäupter und Organe!


Für die Zivilgesellschaft

Irmgard Seidler
Mag. Ingrid Taucher
BIP – Begegnung in Pinkafeld
Burgenländische Plattform Bleiberecht
Franziskusgemeinschaft Pinkafeld
MIO – Miteinander in Oberschützen
OMAS GEGEN RECHTS Südburgenland
SOS Mitmensch Burgenland
Mag. Josko Vlasich
Mag. Ursula Stoißer
Verein Region Neusiedlersee Hilft
Christine Fuchs


Burgenland, Februar 2019


*)
z.B. Licht ins Dunkel Spenden 2018 über Euro 9.000.000, mehr als Euro 1.100.000 als in den Vorjahren.

**)
Es ist offenes Geheimnis, dass „die Letzten die Hunde beißen“, sie nicht zu ihrem fairen Recht kommen, schon gar nicht im Burgenland. Dass es doch möglich wird, dafür sorgen die Caritas Rechtsberater mit ausführlichen Beratungen, bei Begleitungen zu BFA Eisenstadt und Bundesverwaltungsgerichten, bei Beschwerdeführungen, Beweismittelvorlagen. Denn faires Recht wird leider nicht automatisch zugesprochen.
Ganz im Gegenteil, liegt doch schon der erste Kontakt zu Österreich in Händen der Polizei. Die Beamten erstellen oft nach Gutdünken und eilig ein Protokoll, das die Basis für Zulassung oder Verweigerung zum Asylzulassungsverfahren ist. Dies geschieht in überwiegendem Maße ohne  u n a b h ä n g i g e  Rechtsberatung. Haben „illegal“ eingereiste Familien, Kinder, Männer und Frauen“ das Glück, von da ab begleitet und gründlich rechtlich beraten zu werden, wie es die Rechtsberatung der Caritas im Burgenland bietet, stellt das die fast einzige Chance, sehr häufig in der Niederschrift enthaltene Fehler (unbeabsichtigt oder auch nicht) zu berichtigen. Denn diese – berichtigte – Niederschrift ist dann die Basis für das weitere Verfahren und die Glaubwürdigkeit der Asylwerber/innen.

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