Montag, 1. August 2016

Abschiebung traumatisierter Kinder nach Bulgarien stoppen!

Ein Appell von Rechtsberaterin Franziska Perl, Asyl in Not

Liebe Freunde, Familie und Leute, die mich persönlich nicht kennen, aber die diese Nachricht dennoch erreicht.
Ich bitte euch um eure Unterstützung!

Seit zwei Jahren bin ich bei Asyl in Not als Rechtsberaterin tätig. Wir ergreifen Rechtsmittel gegen negative Asylbescheide, übernehmen die Vorbereitung und Vertretung für Einvernahmen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) oder dem Bundesverwaltungsgericht. Dabei stehen wir parteiisch auf der Seite der Flüchtlinge, deren Menschenrechte von Behörden dieses Landes immer wieder gebrochen werden.

So auch im Fall Manal Mohammads und ihrer vier Kinder Delo, Juan, Masoud und Saleh, einer syrisch kurdischen Familie, die im Oktober 2015 nach Österreich gekommen ist. Seit November 2015 vertreten Michael Genner und ich die Familie in ihrem Asylverfahren.

Bevor sie nach Österreich gekommen sind, war die Familie in Bulgarien. Dort wurden Delo, Juan und Masoud, die gerade mal 8, 6 und 4 Jahre alt sind, von der bulgarischen Polizei an der Grenze aufgegriffen und 5 Tage lang inhaftiert. 5 Tage, in denen die Kinder ihre Mutter gerade einmal für 15 Minuten sehen durften. In dieser Zeit sah sich Manal, die gerade eine Kaiserschnitt Geburt hinter sich hatte, gezwungen mehrere Nächte mit ihrem neugeborenen Baby Saleh auf der Straße vor dem bulgarischen Gefängnis zu verbringen. Durch die vergitterten Fenster riefen die Kinder ihrer Mutter zu und weinten. Manal durfte nicht zu ihnen. Die bulgarischen Polizeibeamten ließen sie nicht rein.

Nach 5 Tagen kamen die Kinder frei. Sie waren völlig verschmutzt, dehydriert, hungrig, haben gefroren und bitterlich geweint. Noch dazu bekamen sie im Gefängnis eine Hautkrankheit, die umgangssprachlich als “Krätzmilben” bekannt ist.

Im Gefängnis wurden die Kinder misshandelt. Sie waren gemeinsam mit Erwachsenen inhaftiert. Sie durften dort auch nicht auf die Toilette gehen.
Vor kurzem, als ich die Familie bei ihren Großeltern in Wien besuchte, erzählte mir Delo, der älteste, wie sein Bruder Juan von einem bulgarischen Sicherheitsbeamten mit einem Holzstock auf den Rücken geschlagen wurde. Ich fragte ihn nicht danach, er wollte es mir einfach erzählen, weil er Angst hat nach Bulgarien zurück zu müssen. Die grausamen Bilder scheinen nicht zu verschwinden.

Als die Familie endlich die österreichische Grenze in Nickelsdorf erreichte – im Oktober 2015 waren schließlich die Grenzen nach Österreich noch offen - wurden sie dort von ihrem Onkel Kadar, Bruder der Mutter und österreichischer Staatsbürger, abgeholt. Er brachte sie zu sich nachhause, wo er die Familie erstversorgte.

Im Laufe des Asylverfahrens wurden zahlreiche kinderpsychologische, psychiatrische und psychotherapeutische Gutachten, Befunde und Stellungnahmen vorgelegt. Aus allen geht klar hervor: Die Familie, vor allem die Kinder, sind schwerstens traumatisiert. Sie kämpfen mit Albträumen, Bettnässen und haben große Angst vor Männern in Uniform. Einerseits wegen dem Krieg in Syrien, andererseits aufgrund der Misshandlung durch die bulgarische Polizei. Als ich die Familie im November nach Traiskirchen begleitete, versteckte sich der kleine Masoud hinter uns. Ein netter Polizist wollte mit ihm spielen. Masoud hatte Angst vor ihm.

Alle vier Kinder brauchen Stabilität und Geborgenheit. Das haben sie in Österreich, denn hier wohnen ihr Onkel, der die väterliche Verantwortung übernommen hat, ihre Großeltern und weitere Geschwister der Mutter, die in Österreich alle asylberechtigt sind. Delo und Juan gehen in die Schule und haben dort schon viele Freunde gefunden. Sie sprechen sehr gut Deutsch. Masoud ist im Kindergarten.

In Bulgarien wäre die Mutter völlig auf sich alleine gestellt. Der Aufenthalt des Vaters der Kinder ist unbekannt. Es besteht kein Kontakt. Zudem gibt es gravierende Mängel im bulgarischen Sozialsystem, die allesamt belegbar sind. Eine Million Menschen im europäischen Staat Bulgarien sind nicht krankenversichert, darunter viele „Schutzberechtigte“.

Letzte Woche bekamen wir die Entscheidung vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zugestellt, in der steht, dass eine Außerlandesbringung der Familie nach Bulgarien zulässig ist, da die Familie dort ja "schutzberechtigt" ist. Die Intensität des Familienlebens in Österreich wird als nicht ausreichend erachtet. Den Kontakt zur Familie in Österreich können Manal ja via Mail, Telefon und Internet aufrecht erhalten – so die Sicht der ersten Instanz. Dass Manal und ihre Kinder dringend auf die Unterstützung ihrer Großfamilie vor Ort angewiesen sind, bleibt unberücksichtigt. Dass die Kinder schwerstens traumatisiert sind ebenso.
Die Beschwerde wurde diese Woche fristgerecht eingebracht. Nun liegt der Akt beim Bundesverwaltungsgericht. Dieses hat nun eine Entscheidung zu treffen. Wird der Beschwerde nicht innerhalb einer Woche die aufschiebende Wirkung zuerkannt, so bedeutet dies, dass die Familie auch VOR rechtskräftiger Entscheidung des Gerichts nach Bulgarien abgeschoben werden kann. Das darf nicht passieren!

Am Beispiel der Familie zeigt sich, dass eine Überstellung nach Bulgarien unmenschlich und rechtswidrig ist und jeglicher Logik widerspricht. Manal und ihre Kinder sind auf ihre Familie in Österreich angewiesen. Der familiäre Zusammenhalt ist groß. Die Kinder wollen nicht in ein Land zurück, in dem sie misshandelt wurden. Die Kinder würden dort Gefahr laufen re-traumatisiert zu werden. Das bestätigen mehrere ÄrztInnen und PsychologInnen. Eine Außerlandesbringung nach Bulgarien würde gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und die Kinderrechtskonvention verstoßen und wäre somit auch verfassungswidrig.

Wie soll die Mutter vier minderjähriger schwerst traumatisierter Kinder in Bulgarien alleine zurecht kommen? Sie haben dort niemanden. Sie verstehen die Sprache nicht. Sie können sich vom bulgarischen Staat keine Hilfe erwarten.
Die Entscheidung liegt jetzt beim Bundesverwaltungsgericht.

Die Zeitschrift „news“ berichtete bereits vom Schicksal der Familie. Die Printversion ist seit vorgestern zu erhalten. Die Online Version ist demnächst verfügbar.

Am Samstag war der ORF bei den Großeltern der Kinder zu Besuch. Anbei ein Link zur Sendung Wien heute, in der Manal, ihre Kinder und auch ich zu sehen sind.

Irmgard Seidler, eine gute Freundin der Familie, leitete eine online Petition in die Wege, hier der Link zur Petition >>

Ich bitte euch um eure Unterstützung! Unterzeichnet die Petition, um dem Bundesverwaltungsgericht zu zeigen, wie viele Menschen hinter der Familie stehen! Und um zu zeigen, dass eine Abschiebung der Familie nach Bulgarien, ein Land in dem die Kinder misshandelt wurden, schlichtweg unmenschlich ist! Schutz haben sie dort offensichtlich nicht erhalten!
Ich danke euch!

Franziska Perl, Rechtsberaterin, Asyl in Not
www.asyl-in-not.org

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