Samstag, 13. Februar 2016

Änderung des „Willkommenskultur“-Kurses der Sozialdemokraten

Burgenland ist überall: Wie Niessl den Kurs der Sozialdemokraten prägt
EISENSTADT. Plan B. „Willkommenskultur“ war gestern. Die Flüchtlingswelle zwingt die SPÖ, ihre Haltung zu ändern. Sie folgt damit dem burgenländischen Landeschef Hans Niessl – ein Schwenk mit weitreichenden Folgen.
OÖN, 12.2.2016
Seit 25 Jahren ist Franz Steindl in der Landespolitik, bis Juli 2015 war er VP-Landesobmann und Vizelandeshauptmann. Seine Wortgefechte mit SP-Landeschef Hans Niessl sind legendär. Jetzt sagt Steindl über den ewigen Rivalen: "Rot-Blau war sein großer Coup. Die Blauen freuen sich, dass sie dabei sind, Niessl hat faktisch eine absolute Mehrheit und steht als großer Macher da."

Das sieht nicht nur der überrumpelte Schwarze so.

Als Niessl kürzlich sein 15-Jahr-Jubiläum als Landeshauptmann feierte, tauchte Kanzler und SP-Vorsitzender Werner Faymann in Eisenstadt auf und lobte vor zahlreichen Genossen: "Ich kenne kaum jemanden, der so konsequent, so fachkundig, so sachorientiert Lösungen sucht und zustande bringt wie Hans Niessl."

Der frühere Hauptschuldirektor und Bürgermeister von Frauenkirchen ist aktuell eine große Nummer. Mehrere Faktoren kommen ihm dabei zugute.

Das rechte Erbe Kerys

Erstens besteht die SPÖ Burgenland nicht – wie in anderen Ländern – nur aus dem Türschild am Landesparteisekretariat.

In Vorarlberg, Tirol, Niederösterreich und Salzburg ist die Sozialdemokratie beinahe ausgestorben. In der Steiermark hat sie die Macht verspielt. In Oberösterreich ist sie mit sich selbst beschäftigt. Die Kärntner Roten stellen zwar den Landeshauptmann, haben aber nur die Finanzkrise im Kopf.

Bleiben von der alten Herrlichkeit das Burgenland und Wien.

Die pannonische Partei ist machtgewohnt, straff organisiert, mitgliederstark. Wer nicht dazugehört, hat es nicht leicht zwischen Parndorf und Güssing.

Ideologisch stand die Partei immer rechts. Das geht auf Theodor Kery zurück, einen Despoten und Waffennarren, der 21 Jahre lang (bis 1987) Landeshauptmann war. Kery verbündete sich mit dem damaligen FP-Chef Richard Rezar; der war in einer NS-Studentenbude politisiert worden. Rezars Sohn Peter trat der SP bei und wurde1999 unter Niessl Soziallandesrat; den Posten behielt er bis 2015.

Zweitens arbeitet der Zeitgeist für Niessl: Das Burgenland ist seit der Flüchtlingswelle überall.

"Die Gesellschaft rückt nach rechts, nicht nur in Österreich, sondern früher oder später in ganz Europa", sagt die Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle im Gespräch mit den OÖNachrichten. Niessl bediene eine wachsende Zielgruppe, weit über sein kleines Reich hinaus.

Gegner abgekanzelt

Kritik prallt an dem 64-jährigen vormaligen Regionalligakicker ab. "Die Probleme, die auftreten, treten auch deswegen auf, weil man über gewisse Dinge nicht reden sollte, weil das als ‘rechts’ angesehen wird", sagte er im Vorjahr, als seine harte Flüchtlingspolitik breit kritisiert wurde. Nachdem sich in der Bundespartei Widerstand gegen Rot-Blau regte, kanzelte er die Gegner ab: "Ich nehme zur Kenntnis, dass manche protestieren – aber wenige sind Burgenländer."

Inzwischen ist Niessls Kurs Parteilinie. Die "Willkommenskultur", der Faymann und Wiens Bürgermeister Michael Häupl anhingen, gibt es nur noch als Zitat. Zäune und Obergrenzen sind angesagt, es gilt "Plan B" (Faymann). Von der einst verteufelten Abschreckungspolitik des Niessl-Nachbarn Viktor Orbán ist Österreich nicht sehr weit entfernt.

Niessls Netzwerk

Dass in der Kanzlerpartei ein Landespolitiker aus dem Burgenland den Ton angibt, hat auch mit dem dichten Netzwerk Niessls zu tun. Ein Landsmann ist etwa Faymanns engster Berater, Kanzleramtsminister Josef Ostermayer, der aus Schattendorf stammt.

Der neue Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil war Kommunalpolitiker im Bezirk Oberwart, später Niessls Büroleiter, dann Landespolizeidirektor.

Ein Vorgänger Doskozils im Heeresministerium, Norbert Darabos, ist heute als Landesrat für die Asylwerber zuständig. Bei seinem Amtsantritt sagte Darabos, er sehe sich "durchaus als Bollwerk gegenüber der FPÖ in der Regierung". Das geht heutzutage nicht einmal mehr als Scherz durch.

Seine härtesten Gegner hat Niessl unter Wiens SP-Kadern. Häupl wird ihm die Richtungsänderung der Sozialdemokratie nie verzeihen. Vor wenigen Wochen hatte der Bürgermeister verkündet, Wirtschafts- und Kriegsflüchtlinge könne man nicht unterscheiden, "die tragen kein Stirnband, wo das draufsteht." Nun ist diese Trennung Programm.

Die Wende kann weit reichende Folgen haben. Wenn nach der ÖVP auch die SPÖ freiheitliche Forderungen übernimmt, brechen bald alle Dämme gegenüber Strache.

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